05.01.2022 Yant Flat und ein ungeplanter Ausgang des Tages

Heute steht etwas an, auf das ich mich schon ewig freue: Es soll in die Yant Flat gehen! Dazu habe ich bereits in anderen Reiseberichten viel Gutes gelesen, und auch selbst ein bisschen recherchiert. Nach dem guten Frühstück im Hotel fahren wir also los, die Interstate I15 hoch und durch den Ort Leeds. Man kann von St. George auch aus der anderen Richtung kommend fahren, aber da ist der Anteil der Gravel – Strecke wesentlich länger und soll nicht so gut zu befahren sein. Jedenfalls sind die Ausblicke von unterwegs schon mal phantastisch und machen Freude auf das, was da kommen soll.

Wir finden den Parkplatz direkt, er ist auch auf Google Maps eingetragen. Vom Parkplatz weg führt eigentlich nur ein Weg in die Richtung der auch Candy Cliffs genannten Yant Flat. Die Strecke ist nicht besonders anspruchsvoll, ein Weg zieht sich durch die Gegend. Allerdings scheint er auch von Wesen mit 4 Pfoten genutzt zu werden. Ich bin mir nicht sicher, ob ich denen hier so begegnen möchte.

Es ist recht schlammig, dadurch kommen wir nicht so schnell voran – aber wir haben ja Zeit.

Der Blick zurück ist auf jeden Fall bombastisch, ich freue mich schon darauf, hier bei bestem Nachmittagslicht zurück zu laufen. Weitere Pläne für heute haben wir erst mal nicht so richtig. Meine Mutter möchte sich den Ort ansehen und ich in den botanischen Garten, den stelle ich mir hier in der Wüste echt interessant vor. Wobei mir ja bekanntermaßen ein bisschen Bummeln auch immer gut gefällt.

Aber nun geht es erst mal weiter in Richtung des Hauptziels. Die Ausblicke werden immer interessanter, ein bisschen können wir schon erahnen was da auf uns zukommen wird.

Ich habe keine GPS – Daten von den besonderen Highlights hier. Das liegt einerseits daran, dass ich dann genau diese Highlights fotografiere und meine eigenen Bildideen erst gar nicht entstehen und ich zum anderen nicht genau weiß, wie gut meine Mutter heute drauf ist.
Als wir die Yant Flat erreichen, mache ich erst mal ein Foto vom „Eingang“ in das Gebiet, um nachher auch wieder auf den Weg zu stoßen und uns nicht quer durch die Büsche schlagen zu müssen.

Wir gehen erst mal grob links lang und verschaffen uns einen Eindruck von dem Gebiet und lassen es auf uns wirken. Meine Mutter hat heute Probleme mit den Unebenheiten des Bodens und demnach große Probleme, sich hier fortzubewegen. Wir setzen uns also erst mal auf zwei Steine und picknicken mit Müsliriegeln und Wasser.

Ich mache mich danach auf und stromere noch hier durch die Gegend. auf der Ebene eins weiter unten sehe ich tolle Muster und Gesteinsformationen, will aber alleine – beobachtet von einem Menschen der sich große Sorgen macht – jetzt nicht unbedingt dahin auf den Weg machen. Gut, dass ich mich hier vorher nicht auf bestimmte Fotos festgelegt habe, denn dann wäre ich eventuell enttäuscht – so bin ich zufrieden. Ich freue mich an den Wundern, die hier von der Natur geschaffen wurden und nach jeder Ecke klappt mir die Kinnlade erneut runter.

Nach einiger Zeit gehe ich zurück dorthin, wo meine Mutter noch immer sitzt und in einem viel kleineren Radius die Gegend bewundert. Ich mache hier noch mal Pause.

Dann geht es auf den Weg zurück zum Auto. Dank des Bildes vom Vormittag (und meinem Orientierungssinn) kommen wir wieder an die richtige Stelle und können so den richtigen Weg zurücklaufen. Die Ausblicke sind wieder fantastisch, ich könnte ständig stehen bleiben und genießen – allerdings haben wir ja noch Pläne.

Und wie das so ist mit Plänen: sie gehen nicht immer gut auf. Wer viel unternimmt, dem passiert auch eher mal was, und so erwischt es uns heute dann auch. Mitten auf der Strecke springt die Warnlampe für den Reifendruck an, und diese meldet dass der Reifen hinten rechts gut Luft verliert. Nu hab ich wenig Ahnung davon, in welchem Toleranzbereich dieser Einheit ich noch fahren kann, aber der Druck fällt sehr schnell.
Ich fahre erst mal weiter, da ich hoffe von der Schlamm – Gravelroad runter zu kommen und eventuell jemanden zu finden, der mir den Reifen flicken oder wechseln kann – vorzugsweise an einer Tankstelle, so dass wir drauf warten können. Während ich so vor mich hin denke, klickt die Anzeige alle paar Sekunden um einen Wert nach unten. Ich denke mir, dass ich irgendwann vermutlich auf der Felge fahre und dem Wagen damit irreperablen Schaden zufüge und entscheide mich, rechts ran zu fahren. Bei der nächsten Straßenverbreiterung tue ich dies auch, um nicht komplett im Weg zu stehen.
Shon beim Aussteigen aus dem Wagen höre ich das Zischen der Luft, die aus dem Reifen strömt. Be einem Druck von 32 sind die anderen Reifen, ich bin mittlerweile bei dem kaputten bei 22 – und das innerhalb von ein paar Minuten. Unnötig zu erwähnen dass ich bei solchen Aktionen richtig laut „HIER!!“ schreie und natürlich mitten in der dicksten Matsche liegen bleibe.

Ich schaue mir die ganze Sache näher an, habe aber gar keine Ahnung davon, wie man einen Reifen wechselt – oder aber auch nur, wo sich der an diesem Schiff befindet bzw. wo das ganze Werkzeug dafür ist.

Als erstes versuche ich, Frank anzurufen damit wenigstens jemand weiß, wo wir sind. Klar, Netzabdeckung habe ich hier auch nicht mit meiner fancy teuren US – Sim. äre bestimmt mit der Karte von Wolles Computershop auch nicht besser gewesen, aber die liegt ja wahrscheinlich immer noch bei Apple in Las Vegas. Nun beginnt also eine Hin- und Herlauferei, die – wenn es so nicht so traurig wäre – bestimmt zum Lachen wäre.
Ich schnappe mir also mein Handy und laufe so lange in die Richtung zurück aus der ich gekommen bin, bis ich wieder ausreichend Netz zum telefonieren habe. Das Auto sehe ich natürlich von hier aus nicht mehr. Nun gelingt es mir aber, Frank anzurufen und ihm unsere Position durchzugeben. Als nächstes versuche ich bei Hertz, komme aber durch die vielen, vielen Menues nicht richtig durch, werde unruhig und gehe erst mal wieder zurück zum Auto. das liegt gefühlt nun mit der Achse im Dreck.

Just in diesem Moment hält ein anderer Pickup und ein Mann ungefähr in meinem Alter steigt aus und fragt, ob die „Ladies“ ein Problem haben. Ich bin total erleichtert und erkläre ihm die Situation. Ein Mann mit Pickup, Bart und Holzfällerhemd der breitestes amerikanisch spricht MUSS doch quasi mit dem Wagenheber in der Hand geboren worden sein, oder?? Der muss das doch im Blut haben. Zumindest sagt er dies auch, er kenne sich damit gut aus, so was lerne man hier in der Schule und er werde mir das schon beibringen. Außerdem sei sein Name Adam, und er sei quasi auf der Flucht vor seiner Frau. Er wohnt eigentlich weiter oben in Utah, aber brauche mal Abstand und sei nun schon zwei Wochen unterwegs und wolle in Yant Flat ein bisschen nachdenken. Ich frage vorsichtshalber nichts weiter nach, auch nicht nach dem Verbleib einiger seiner Zähne. Ein Blick, den ich in sein Auto erhasche, bestätigt die These eindrucksvoll – die Frau ist wahrscheinlich heilfroh, dass er weg ist und sie mal in Ruhe Ordnung schaffen kann.
Jedenfalls findet er bei meinem Auto den Wagenheber und die Stange zum Ablassen des Reifens nicht, denn der ist unter der Ladefläche. Die Stange seines Autos passt wohl irgendwie nicht an mein Auto und so probiert er es immer wieder. Als noch jemand zum Helfen dazukommt, gehe ich mal wieder in Richtung meines Telefonhügels und möchte noch mal Hertz anrufen. frank bekommt natürlich auch eine Nachricht, dass es uns gut geht. Irgendwann erreiche ich dann auch wen bei Roadside Assistance. Dass ich erklären muss wo ich bin sehe ich ja ein, aber ich telefoniere 30 Minuten mit der Frau. sie will absolut jede Kleinigkeit wissen, unglaublich – ich stehe hier am Arsch der Welt an einer Gravelroad mitten in der Pampa, habe heute morgen Fußspuren eines Berglöwen gesehen und möchte jetzt endlich hier weg, ehe es dunkel wird. Die Frau sitzt aber irgendwo in den USA in einem Callcenter und versteht Null wo wir sind. Ich gebe ihr eine genaue Wegbeschreibung, aber sie findet schon St. George in Utah nicht. Da ich Frank per WhatsApp meinen Standort geschickt habe, dachte ich eine Anschrift zu haben – aber das hilft ihr nicht. Sie istauch nicht in der Lage, meiner Wegbeschreibung zu folgen und so zu sehen wo wir sind. Ich bin mittlerweile fast den Tränen nahe, da ich allmählich nicht mehr weiss, was ich machen soll – bis mir einfällt, dass man St. George einfach nur mit St. am Anfang schreibt – und schon kürzt diese Info das Gespräch deutlich ab. Nun hat sie unseren Standort und will den Abschleppdienst schicken. Dauert so zwei Stunden. Äh – wie bitte? ZWEI STUNDEN?? Wir sind bereits eine Stunde hier (seit 13.50 Uhr) und vorhin war die Leitung ständig tot, es wird bis dahin dunkel sein? Ich höre sie quasi durch die Leitung mit den Schultern zucken und resigniere. Bringt ja nix.
Wieder unten am Auto hat sich die Situation kaum geändert: Adam arbeitet sich immer noch daran ab, das Reserverad zu lösen und alle anderen die bisher gehalten haben, können auch nicht helfen. Aber immerhin soll ja in zwei Stunden der Abschleppdienst kommen. Adam sagt, dass er natürlich so lange hier mit uns wartet, das sei ja Ehrensache. Ich möchte dies aber nicht so gerne, denn irgendwie ist er mir unangenehm. Ich mache ihm also auf möglichst diplomatische Art klar, dass wir schon alleine klar kommen. ein bisschen in seiner Ehre ist er schon gekränkt, aber er fährt schließlich weiter. Puh, das ist gut so, denn nun wird auch eher jemand anderes halten der vielleicht helfen kann. Aber erst mal suhe ich nach dem Wagenheberkram und finde den unter dem Beifahrersitz statt unter der Rückbank. Aber so richtig klar komme ich damit nicht, und außerdem müsste roadside assistance bald auftauchen. Wir setzen uns noch ins Auto aber nach einiger Zeit gehe ich dann wieder auf meinen Telefonhügel.

Hier erreichen mich dann gleichzeitig eine Menge Nachrichten, die mich erst total erfreuen und – bei näherer Betrachtung – komplett verwirren.
Zuerst mal:


Klasse, es sieht also so aus, als wäre da jemand gerade angekommen, ich höre aber nichts.

Das liest sich auch gut, also sollte sich da nun was tun. Wobei – wenn das schon „complete“ ist, dann ging das echt schnell! Was mich aber komplett verwirrt und nun zum ersten Mal an diesem Nachmittag wirklich in Sorge bringt ist die nächste Nachricht:

Ich stehe also am späten Nachmittag irgendwo zwischen Leeds und Yant Flat, kein Haus weit und breit, und der AAA Driver der laut Hertz schon fertig sein sollte weiß nicht wo ich bin? Wie bitte geht das? Ich überlege ernsthaft, dass wir nun wohl eine Nacht hier oben in den Bergen vor uns haben, denn im Hellen schaffen wir es wohl nicht mehr nach unten zu Fuß. Und das mit einer Person die eher ängstlich ist und hinter jede Baum den Axtmörder sieht…
Auf einmal habe ich eine Idee: in einer der Nachrichten stand ja der Name der Firma, also googel ich diese und rufe da an, denn unter der Nummer in der SMS erreiche ich natürlich niemanden. Klar, wenn der auch hier in der Gegend ist. Glücklicherweise gibt es eine Firma mit diesem Namen in St. George und es geht auch jemand dran. Es ist tatsächlich David, der mir die SMS geschickt hat. Er könne mich nicht abholen bzw. mir nicht helfen, da ich ja auf einer Gravel Road und nicht auf Asphalt sei. Ja nu, aber das ist doch eigentlich kein Problem, oder? Doch sei es, denn dort dürfe ich nicht fahren und er mich nicht holen. So langsam bekomme ich nun Panik und erkläre ihm, dass wir seit mehr als 3 Stunden hier oben sind, es dunkel und kalt wird und er uns nicht abholen kann, weil der RAM nicht auf einer Schotterstraße fahren dürfe, über die er eigentlich nur lachen sollte? Ob ich hier oben bis zum Morgen warten und dann laufen oder per Anhalter fahren solle? Und warum ich diese tollen SMS bekommen habe? Er erklärt mir dass er das halt nicht dürfe und er deshalb nichts machen könne. Er wisse nu auch nicht. Ich sage dass ich mich nicht traue mit dem Auto zu fahren – und frage ihn was passiert wenn ich es doch tue? Er sagt, er erkundigt sich und ich soll wieder anrufen.
Was nun kommt wiederholt sich: ich latsche wieder runter und überbringe die Hiobsbotschaft. Meine Mutter bekommt einen Riesenschreck und ich muss sie erst mal beruhigen, was nur so halb gelingt. Nach einiger Zeit gehe ich wieder hoch (total langweilig, ich weiß, aber in dem Moment war ich einfach nur noch genervt). Mir kommen immer wieder Autos entgegen, aber deutlich weniger als heute Mittag. Mein erneuter Anruf bei Bracken ergibt, dass ich mit dem Auto auch mit komplett plattem Reifen die paar Meilen bis zum Ort fahren kann, wenn ich langsam und vorsichtig fahre – klar, ich wollte auch jetzt jeden Geschwindigkeitsrekord brechen! Sobald unter allen vier Reifen wieder Asphalt sei solle ich wieder Hertz anrufen und dann würde das ganze Prozedere neu beginnen, und sie könnten kommen und das Rad wechseln. Ich schwöre mir zum drölfzigsten Mal am heutigen Tag, dass ich bald lerne selber Reifen zu wechseln, aber das hilft mir jetzt nicht (mittlerweile kann ich es aber).

Als ich auflege, hält ein Auto neben mir. Man habe schon mit meiner Mutter gesprochen und werde nun helfen und den Reifen wechseln, ich solle mir keine Sorgen machen. Der Stein, der mir jetzt vom Herzen plumpst ist bestimmt bis nach Hause zu hören. ich flitze also zurück zum Auto, wo bereits einiges passiert ist: Das zweite Auto der Familie steht hier und zwei Männer wechseln gerade gekonnt den Reifen. Ich bedanke mich tausendmal bei der Frau. Im Gegenzug entschuldigt sie sich bei uns. Sie haben uns schon gesehen, als sie hoch zu Yant Flat gefahren sind, aber gedacht, wir wären kurz stehengeblieben, um das Panorama zu genießen. Auf dem Weg runter sei ich ihnen mit dem Handy entgegen gekommen und das Auto habe da immer noch gestanden, was sie erst registriert hätten, als sie schon fast vorbei waren. Da ist ihnen der Gedanke gekommen, dass etwas nicht stimmt und sie haben angehalten um zu fragen. Die Männer – also der Mann der Frau mit der ich rede und ihr Schwiegersohn seien Jäger und wissen, dass es Berglöwen hier gibt. Es wäre also nicht gut, hier über Nacht zu bleiben. Ich sage ihr dass sie sich nicht entschuldigen muss, sondern wir einfach nur froh sind, dass sie hier sind. Innerhalb von Minuten ist der Reifen gewechselt und der kaputte Reifen liegt auf der Ladefläche. Die Familie fährt mit ihren Autos vor und passt auf, dass der Reifen hält und wir gut vom Berg kommen. Dies klappt gut, und wir bedanken uns unten noch mehrfach und fragen, ob wir uns irgendwie erkenntlich zeigen können, aber sie möchten nichts haben. Wir verabschieden uns und fahren zurück nach St. George – alle Pläne sind natürlich nun hinfällig und wir haben Hunger. Im Hotel angekommen rufe ich noch mal Hertz an, und versuche einen Autotausch zu arrangieren. Wir fahren zwar nicht mehr weit, aber ich hätt schon zumindest gern einen Ersatzreifen oder ein Reparaturset. Aber ich erreiche unter der Telefonnummer der Station in der Nähe niemanden.
Also machen wir uns auf zu den Restaurants gegenüber, als mein Handy klingelt. Es ist David von Bracken der fragt, wo wir denn blieben. Er sei nach dem Telefonat schon mal zum Übergang Asphalt – Schotterpiste gefahren und würde auf uns warten. Mittlerweile mache er sich Sorgen. Ich erkläre ihm was passiert ist, bedanke mich für die Nachfrage und lege auf. Einerseits finde ich das total nett von ihm, dass er uns entgegen gekommen ist um uns möglichst schnell zu helfen – andererseits war es die Schludrigkeit der Firma und auch von ihm, die uns da oben Sorgen gemacht hat und mehrere Stunde festgehalten hat.
Nun passiert aber wirklich nicht mehr viel, wir gehen bei chipotle essen und dann ins Bett.

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