Dass der Wecker heute wieder früh klingelt, erwähne ich schon gar nicht mehr, schließlich haben wir heute einen langen Fahrtag vor uns. Wir frühstücken wieder unsere Bagel im Zimmer, packen die Koffer ins Auto, checken aus und fahren los. Wir vertrauen auf den Verkäufer am Obststand von gestern und fahren nicht den vom Navi vorgeschlagenen Weg, der uns in 2 Stunden über die US 7 und 12 zur Windy Ridge des Mount St. Helens gebracht hätte. Stattdessen biegen wir in den Wald ab und folgen erst mal lange dem Weg, den wir auch gekommen sind: der NF-52. Diese Straße ist im Winter geschlossen, da sie nicht geräumt wird. Scheinbar wird sie auch nach der Schneeschmelze nicht weiter repariert: es gibt Schlaglöcher ohne Ende, die Wurzeln der Bäume wachsen weit in die Straßenmitte hinein und brechen den Asphalt auf, am Rand gibt es eine Menge ausgewaschener Stellen. Dazu ist die Fahrbahn recht schmal und durch den Wald bzw. die sehr kurvige Streckenführung nicht gut einsehbar. Von „schön“ ist hier gar nichts zu merken. Im Gegenteil, ich finde den Weg mitten durch den Wald nicht besonders „scenic“.
Wir fahren durch Randall, das ja ein gutes Stück vom Mount Rainier entfernt liegt und dennoch führen viele Geschäfte, Motels und Campingplätze den Berg im Namen. Na, da würde ich mich echt bedanken, wenn ich hier unterkomme und dann noch diese blöde Strecke in den Nationalpark und zurück fahren müsste!
Wir folgen dem NFD 25 weiter Richtung Mount St. Helens. Wir wollen bewusst zur Windy Ridge und nicht zum gegenüber liegenden Johnston Ridge Observatory.
Dieses liegt unserem heutigen Ziel quasi gegenüber und bietet fast den gleichen Blick in den Krater, aber dafür hätten wir auch um diesen Berg herumfahren müssen, was viel Zeit gekostet hätte.
Auch diese Straße schlängelt sich durch Wald, und ist recht unangenehm zu fahren. Mal fahren wir im Schatten der Bäume, dann plötzlich wieder im hellen Sonnenschein – Sonnenbrille auf, Sonnenbrille runter heißt es da. Zum Glück trage ich heute meine Kontaktlinsen und muss die Brille nicht jedes Mal komplett wechseln.
Nach einiger Zeit bemerke ich, dass ich einen „Anhang“ bekommen habe: Ein Wagen fährt direkt hinter uns her, überholt nicht, aber fährt recht nah auf. Na toll, so was macht mich eher nervös. Ich versuche mal schneller zu fahren, mal langsamer – er überholt nicht, sondern bleibt schön nah dran. Irgendwann nutze ich dann ein turnout und lasse diesen nervigen Typen vorbeifahren.
Kurz vor dem Ziel kommen wir aus dem Wald – und sehen plötzlich den Mount St. Helens und die teils noch immer verwüstete Landschaft komplett vor uns.
Ein unglaublicher Anblick!
Der fehlende Berggipfel mit dem zu einer Seite offenen Kegel. Rundherum Bäume, die alle vom Berg weg umgekippt sind und noch immer so daliegen wie nach dem Ausbruch, etwas weiter weg kahle Bäume, an den bergabgewandten Seiten der Hügel wächst schon wieder neuer Wald nach.
Wir halten kurz an einem Overlook an.
Von hier aus ist es noch ein ganzes Stück bis zum Aussichtspunkt am Krater. Wir genießen die Landschaft bis dorthin und sind von der Zerstörungsgewalt des Berges schwer beeindruckt. Unterwegs sehen wir immer wieder Wanderwege, aber dafür ist heute leider keine Zeit mehr. So gerne wir uns Zeit nehmen und recht entspannte Reisen planen, so schaffen wir natürlich nicht alles, was uns interessieren würde. Daher war bewusst geplant, heute hier „vorbei“ zu fahren und eventuell in anderes Mal wiederzukommen.
Am Aussichtspunkt steigen wir aus und schauen uns um. Die Infotafeln sind wie gewohnt interessant, ich lese auch fast alle.
Neben dem Parkplatz führt eine Treppe zu einem höher gelegenen Aussichtsplateau, da laufe ich auch mal hoch. Unterwegs treffe ich meinen Anhang vom Weg hierher wieder – es sind doch tatsächlich Deutsche!
Mir sitzt ein Teufel auf der Schulter (das Engelchen auf der anderen Schulter schläft wohl grad) und ich frage, ob sie denn gut und zügig angekommen sind. Die Frau versteht sofort was ich meine und sagt zu ihrem Mann, dass sie ja schon auf dem Weg der Meinung war, er würde ein bisschen dicht auffahren. Er guckt mich mit großen Augen an und versteht gar nicht, um was es geht – ich sei ja schön zügig gefahren, da habe er sich einfach dran gehängt und mitziehen lassen. Na, schönen Dank für das Kompliment! Wir unterhalten uns noch ein wenig und ich bekomme den Tipp, bei Portland in das Outlet zu fahren, da könne man gut und steuerfrei einkaufen – ehrlich gesagt hatten wir das sogar eventuell für heute vor.
Auf der Hügelspitze angekommen genieße ich die Aussicht und bin immer noch ganz beeindruckt von der Zerstörung, die so viele Jahre nach dem Vulkanausbruch noch zu sehen ist.
Ich gehe die Treppe wieder nach unten und wir schauen uns noch ein wenig um.
Wir setzen uns wieder ins Auto und fahren noch einmal zum ersten Aussichtspunkt. Hier steht ein Mann und erzählt vom Ausbruch des Mount St. Helens und wie er ihn damals miterlebt hat. Eine total packende Story, die damit endet, dass er am Abend bei seiner Tante zum Geburtstag in Seattle ankam und die Ladefläche des Pickups voll war mit Geröll und Vulkanasche – wovon sich dann jeder ein Glas zur Erinnerung mitnahm.
Nachdem sich die Zuhörerschaft um den Mann auflöst, setzen wir uns auch ins Auto und fahren zur Ape Cave. Diese besteht aus erstarrter Lava des Ausbruchs vom 18.05.1980 und befindet sich 55 Meilen südlich der Windy Ridge (nicht Luftlinie, sondern Wegstrecke).
Dort kamen wir nach knapp 2 Stunden Fahrzeit an. Wir gingen in einen kleinen Laden im Wald, hier hätten wir Lampen leihen können. Ich hatte aber Stirnlampen dabei.
Von da aus waren wir fix am Höhleneingang. Und es war tatsächlich direkt nach dem Betreten der Höhle viel kälter und auch das Licht nahm rapide ab.
Nach kurzer Zeit fühlte meine Mutter sich unwohl, da sie den Boden nicht gut genug sehen konnte und so beschloss sie, draußen zu warten. Da ich die mehr als zwei Meilen nich ohne sie laufen wollte, guckte ich mich nur ein bisschen um und ließ die Umgebung auf mich wirken. Wahnsinn, nach zwei Stunden Fahrzeit weg vom Blick auf den durch den Ausbruch gezeichneten Gipfel noch so deutliche und massive Spuren zu sehen und fühlen!
Obwohl wir schon viel heute erlebt und gesehen haben, ist es erst kurz nach 14 Uhr. Also beschließen wir, an Portland vorbei zu fahren und im Outlet noch einzukaufen.
Gesagt, getan.
Wir erstehen einige nette Teile an Blusen, Hosen, Merinobekleidung und eine neue Regenjacke für mich. Da wir nun ziemlichen Hunger haben, kehren wir bei – wo auch sonst – Denny’s ein und witzeln, dass wir bald den goldenen Burger am Band bekommen müssten.
Danach fährt es sich ganz lässig zurück nach Portland, wo wir im Hotel einchecken. Abends waschen wir noch unsere Sachen in der hoteleigenen Laundry und fallen dann erledigt ins Bett.